Montag, 23. August 2010

Interview Jilliane Hoffman

Kurz bevor ich „Mädchenfänger“ gelesen habe, suchte ich den Kontakt zu der Autorin Jilliane Hoffman und begann mit ihr zu schreiben. Wir haben uns Mails geschrieben und ich habe sie, einfach mal so, gefragt, ob sie mir ein paar Fragen für meinen Blog beantworten würde. Und sie hat sofort zugestimmt und hat mir die Fragen fleißig beantwortet. Viel Spaß und über Kommentare würde ich mich sehr freuen! :)


In „Cupido“ und „Morpheus“ warst Du bei der Beschreibung der Gewaltszenen sehr genau. Warum lies diese Genauigkeit bei „Vater Unser“ und „Mädchenfänger“ nach?
Das ist eine interessante Frage! Meiner Meinung nach enthalten sowohl Vater Unser als auch Mädchenfänger einige ziemlich brutale Szenen. Vielleicht habe ich mich bei den Gewaltszenen etwas zurückgenommen, weil die Opfer in Vater Unser und Mädchenfänger Kinder sind. Ich denke, dass die Leser Brutalität eher ertragen können, wenn es um Erwachsene geht, aber wenn Kinder und Tieren betroffen sind, das Buch weglegen würden.

„Morpheus“ endet offen. Warum? Wird es eine Fortsetzung geben? Oder willst Du, dass sich die Leser ihre eigene Gedanken machen?
Ich schreibe gerade an einer Fortsetzung zu „Morpheus“ um die Geschichte um C.J. Townsend und Bill Bantling zu beenden.

In „Mädchenfänger“ geht es um einen Serienmörder, der seine Opfer über das Internet kennenlernt. Warum hast Du Dich für diese Thematik entschieden? Willst Du Eltern warnen, dass sie aufpassen sollen, was ihre Kinder am PC machen?
Definitiv! Ich denke, dass viel zu viele Eltern den Computer in ihrem Haushalt als lebloses Objekt betrachten, von dem keinerlei Bedrohung ausgeht, vor allem dann, wenn er ausgeschaltet ist. Sie verstehen es entweder selber nicht, oder sie wollen es gar nicht verstehen, dass die Reichweite des Internets lang ist und welche irreparablen Schäden das Drücken einer einzelnen Taste auslösen kann. Ich selbst habe viel zu viele Eltern gesehen, die soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace bewusst ignorieren und dabei nicht mitbekommen, dass ihre Kinder sich dort treffen und sich mit ihren Freunden unterhalten. Was Chaträume betrifft, wissen viele Eltern noch nicht einmal was ein Chatroom ist oder wie oft dort Gespräche geführt werden, in denen es um Sex und Drogen geht. Sie haben auch keine Ahnung wie man eine Nachricht verfasst oder was „Sexting“ (die private Verbreitung erotischen Bildmaterials des eigenen Körpers über MMS, Anm. d. Übers.) ist, oder wofür man einen AIM Account (AIM = AOL Instant Messenger, Anm. d. Übers.) braucht. Die kalte, harte Realität ist aber, dass dies die Orte sind, an denen Kinder und Jugendliche wirklich böse Menschen treffen können. Genau wie man seine Kinder davor warnen würde, mit einem Fremden im Park zu reden, sollten diese Eltern ihre Kinder davor warnen, sich mit Menschen, die sie nicht kennen, auf ihrer Facebook-Seite anzufreunden; und selbstverständlich niemals zustimmen, dass sie jemanden treffen, den sie im Internet kennengelernt haben.

In den ersten drei Büchern waren die Hauptpersonen immer Frauen. Warum jetzt plötzlich ein Mann?
Ich wollte einfach eine drastische Veränderung. Ich dachte, es wäre mal interessant, aus dieser Perspektive zu schreiben. In unserer Gesellschaft werden Männer immer noch als das Familienoberhaupt bezeichnet. Die Beschützer der Familie. Sie bringen den Müll raus und mähen den Rasen, und sie kümmern sich darum, dass alle Türen verschlossen und Frau und Kinder sicher in ihren Betten liegen, bevor sie selbst zu Bett gehen. In Familien, in denen der Vater dann auch noch Polizist ist, trifft dieses Klischee dann auch fast immer zu. In Mädchenfänger ist die Hauptfigur Bobby Dee ein gefeierter Sonderermittler, der eine Elitetruppe von Kommissaren anführt, die auf Kindesmissbrauch spezialisiert ist. Aber als seine eigene Tochter vermisst wird, merkt er, dass er genauso hilflos ist, wie jeder andere. Er ist nicht in der Lage sie zu finden und sicher nach Hause zu bringen. Ich wollte schildern, wie Bobbys selbst wahrgenommenes Scheitern als Vater, Ehemann und Polizist sein Handeln im wohl perversesten und kompliziertesten Fall seiner Karriere beeinflusst.

Du hast in Deinem ehemaligen Beruf als Staatsanwältin sicherlich viel Gewalt erlebt. Versuchst Du dies jetzt in Deinen Büchern zu verarbeiten?
Ich werde definitiv von den Fällen beeinflusst, die ich über die Jahre hinweg behandelt habe. Man kann nicht als Staatsanwältin mit Opfern von brutalen Verbrechen arbeiten und dabei nicht beeinflusst werden. Einige Geschichten werden mich wohl bis zu meinem Tod verfolgen. Ich denke, dass einige meiner besten Charaktere die Opfer, Polizisten, Richter und Verteidiger, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, als Vorlage haben.

Welches Deiner Bücher gefällt Dir besonders gut, und warum?
Ich liebe „Mädchenfänger“, wahrscheinlich weil ich selbst zwei Töchter im Teenageralter habe. Über Laineys Entführung und Bobby Dees verzweifelte Suche nach ihr zu schreiben, kam mir sehr real vor. Aus dieser Perspektive betrachtet ist es wohl der beängstigendste Roman, den ich je geschrieben habe. „Cupido“ hingegen war mein erster Roman. Auch wenn es fast ein Jahr gedauert hat, ihn zu schreiben, hatte ich die Geschichte schon über Jahre hinweg entwickelt während ich erst als Staatsanwältin und dann als Anwältin für FDLE ( Florida Department of Law Enforcement, Anm. d. Übers.) gearbeitet habe. Mein eigentliches Ziel war es, einfach nur die Geschichte aufzuschreiben, sie aus meinem Kopf heraus auf Papier zu bannen; ich habe es sehr genossen, es war als würde man zusehen, wie das eigene Baby groß wird und plötzlich das Medizinstudium beendet.

Dürfen wir uns über weitere Bücher von Dir freuen? Vielleicht sogar eins mit Bobby Dees oder einer Protagonistin aus Deinen anderen Büchern?
Alle meine Bücher spielen in Miami und rund um das Büro des Staatsanwalts und die diversen Polizeireviere in der Stadt. Ich habe diverse Charaktere in jedem meiner Bücher entworfen, so dass es möglich wäre, in zukünftigen Büchern Helden und Schurken zu kombinieren. Ich liebe Bobby Dee. Ich würde ihn gerne in ein Team mit Dom Falconetti oder Manny Alvarez oder John Latarrino stecken. Vielleicht für ein Shooting für einen Kalender…

Deine Thriller sind internationale Bestseller. Kannst Du Dir erklären warum? Und hast Du dir dies jemals vorstellen können?
Der Erfolg meiner Bücher überwältigt mich, besonders der in Deutschland. Das ist wirklich toll! Ich weiß die Unterstützung der Fans sehr zu schätzen. Ich denke, die Leute mögen meine Bücher, weil sie sehr realistisch sind. Die Geschichten dahinter sind fiktiv, aber sie sind definitiv von den Fällen, an denen ich über die Jahre hinweg gearbeitet habe, inspiriert. Ich denke sie fühlen sich real an, weil sie es in gewisser Hinsicht auch sind; und das spüren die Leser. Es gibt ihnen die Möglichkeit, völlig in die Geschichte einzutauchen und sich von ihr davon tragen zu lassen.

Könntest Du Dir auch vorstellen, etwas anderes außer Thriller zu schreiben?
Nein. Ich liebe es, Thriller zu schreiben – dieses Gänsehaut-Gefühl das man bekommt, wenn man ein richtig gruseliges Kapitel beendet. Ich liebe es, Leser an den Schauplatz eines Verbrechens mitzunehmen und ich liebe es in die Gedanken eines Mörders einzudringen. Auch wenn es definitiv Spaß macht, Sexszenen zu schreiben, denke ich nicht, dass sich Danielle Steele Sorgen machen muss.

Kannst Du noch normal in den Supermarkt um die Ecke gehen oder wirst Du überall auf Deine Bücher angesprochen?
Für mich ist eines der besten Dinge am Autorendasein, die Anonymität. Im Gegensatz zu einem Filmstar oder einem Fernsehstar kommt den Leuten vielleicht mein Name bekannt vor, aber nicht mein Gesicht, was bedeutet, dass ich normalerweise in aller Ruhe mein Müsli einkaufen kann ohne dabei all zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Für mich ist es das Größte, wenn ich jemanden dabei erwische, wie er mein Buch liest, im Buchladen um die Ecke, oder im Flugzeug, oder am Strand. Das kann sehr lustig sein. Einmal saß ich im Flugzeug neben einer Frau, die den ganzen dreistündigen Flug über mein Buch las. Mein Gesicht bedeckte das gesamte Buchcover, und trotzdem erkannte sie mich nicht, auch nicht als wir uns kurz unterhielten und sie das Buch auf ihren Schoß legte, mit dem Cover nach oben. Als wir von Bord gingen, fragte ich sie, ob das ein gutes Buch sei, das sie da lese. Glücklicherweise sagte sie „Ja.“ Es sei das beste Buch, das sie je gelesen habe. Ich fragte sie, wer es geschrieben habe. Sie antwortete „Jilliane Hoffman.“ Darauf sagte ich, dass ich mir das Buch dann wohl kaufen müsse um selber festzustellen, ob es wirklich so gut ist.

Warum hast Du deinen Job als Staatsanwältin aufgegeben?
Um „Cupido“ zu schreiben. Diese Geschichte habe ich über mehrere Jahre in meinem Kopf entwickelt bevor ich letztendlich in der Lage war, mich hinzusetzen und sie zu Papier zu bringen. Ich habe sogar versucht, „Cupido“ zu schreiben während ich noch bei FDLE gearbeitet habe, aber Gesetze hüten ist kein normaler Schreibtischjob und ich hatte zwei kleine Kinder zu dieser Zeit, also war es einfach nicht drin, einen Roman zu schreiben. Ich musste dann feststellen, dass der einzige Weg um tatsächlich einen Roman zu schreiben war, den Beruf, den ich wirklich geliebt habe, aufzugeben. Es war eine schwere Entscheidung, aber sie hat sich gelohnt. Und ich liebe es, Schriftstellerin zu sein. Ich kann spät nachts schreiben und bin da, wenn meine Kinder von der Schule nach Hause kommen. Das ist für mich wichtig.

Was sagt Deine Familie zu Deinem Erfolg?
Mein Ehemann ist mein Fels in der Brandung – er hat nie daran gezweifelt, dass ich Erfolg haben werde – von dem Tag an, an dem ich den Stift in die Hand nahm. Das ist sehr lustig, denn ich habe oft gezweifelt. Meinen Kindern ist es ein wenig peinlich, wenn ein Lehrer oder ein Trainer mich erkennt, oder meine Bücher liest. Aber sie sind ja auch Teenager und selbst einen Kuss in ihre Richtung zu hauchen, wenn man sie vor der Schule absetzt, lässt sie in die nächste Toilette flüchten um sich zu verstecken. Also denke ich, dass es ihnen auf eine positive Art peinlich ist. Meine Mutter ist sehr stolz auf mich und erzählt jedem, dass ich neben den blonden Haaren auch das Schreibtalent von ihrer Seite der Familie geerbt habe. Und mein Vater ist einfach nur stolz.

Dein Abschlusskommentar?
Ich möchte allen meinen Lesern dafür danken, dass sie meine Bücher lesen und sie so vielen weiterempfehlen, die einen guten Thriller lesen möchten! Ich wäre definitiv nicht so erfolgreich ohne die anhaltende Unterstützung und Loyalität meiner Fans. Es ist das positive Feedback auf Facebook und meiner Website das mich oft bis in die späte Nacht hinein am Schreibtisch hält!


Noch einmal vielen Dank an Jilliane Hoffman! Und auch Claudia-Marina möchte ich danken, denn sie hat meine Fragen und Jilliane Hoffman's Antworten übersetzt – ohne sie wäre das hier nicht möglich!

11 Kommentare:

  1. Interessantes Interview-danke schön!!

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  2. Hallo Philipp,
    Ich habe über den Blog "Literatur und mehr" zu deinem Literaturkosmos gefunden und bin über dieses Interview gestolpert. Es hat mir ausgesprochen gut gefallen! Informativ, unterhaltsam, spannend... Kompliment!

    liebe Grüsse mirjam

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  3. @Steffi: Sehr gerne :)

    @mirjam: Danke - und es freut mich, dass dir das Interview gefällt. Ich würde mich freuen, wenn du meinen Blog in Zukunft auch besuchst!

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  4. @ Philipp... Dein Blog ist bereits in meine Favoritenliste gewandert & Besuche vorporgrammiert ;)

    Morgensonnengrüsse, mirjam

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  5. @mirjam: SUPER - vielen Dank! :) Kommentare sind erwünscht! :D

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  6. Ein tolles Interview! Wirklich interessante Fragen! Vielen Dank!

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  7. ich weiß ja, wieviel Arbeit in diesem Interview steckt und es hat sich wirklich gelohnt. toll gemacht Philipp.

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  8. @Stefanie: Danke - und es freut mich, dass es dir gefällt! :)

    @wortsplitter: Ich denke auch, dass es sich gelohnt hat!

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  9. hi! das Interview ist echt toll! Super informativ, tolle Fragen und es macht Lust die Bücher alle sofort zu lesen!

    werde sicher ab jetzt öfter bei dir vorbeischauen - toller Blog!!! :)

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  10. @Christiane: Über Besuche (und Kommentare) freue ich mich immer sehr :D Und die Bücher von Jillaine Hoffman solltest du unbedingt sofort lesen......

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  11. Hallo :)
    Jilliane Hoffman hat ja mehrere Male angedeutet, dass sie die Story um C.J.Townsend und Bill Bantling mit einem dritten Teil beenden will. Wird es eine Forsetzung des dritten Teils geben, denn einige Fragen bleiben offen...

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