„Sprache ist ungemein komplex – sie umfasst eine enorme Bandbreite an Gesten und Lautmerkmalen – un es besteht kein Anlass, zu glauben, dass bei unseren Vorfahren eine dieser Modalitäten im Verlauf der Evolution der Sprache Priorität über die anderen gehabt hat.“
Dean Falk gehört zu den berühmtesten Anthropologinnen und Neurowissenschaftlerinnen der Welt. Sie schrieb bereits einige Bücher über die menschliche Evolution und die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten bei Menschenaffen. Mit „Wie die Menschheit zur Sprache fand – Mütter, Kinder und der Ursprung des Sprechens“ schreibt sie ein Sachbuch über die Evolution der Sprache beim Menschen, auch im Zusammenhang mit der Entwicklung von Musik.
Die Frage nach dem Sprachursprung gehört zu am meisten diskutierten Fragen in der Wissenschaft überhaupt. Bereits im Jahr 1769 schrieb die Königliche Akademie der Wissenschaften eine Preisfrage zum Ursprung der Sprache aus. In der Preisfrage wurde gefragt, „ [ob] die Menschen, ihren Naturfähigkeiten überlassen [haben], sich Sprache erfinden [zu] können? Und mit welchen Mitteln wären sie zu dieser Erfindung gelangt?“. 1771 wurde Herders Schrift mit dem Titel „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ preisgekrönt. In dieser Schrift begründete er seine Ansicht, dass der Mensch die Sprache fand um die mangelnden Instinkte zu ersetzen.
Auch wenn viele Herders Antwort auf die Frage für richtig hielten, wurde die Frage nach der Evolution der Sprache immer wieder gestellt und seit einigen Jahrzehnten ist sie Teil vieler Wissenschaften geworden. Neurowissenschaftler, Philosophen, Psychologen, Kognitionswissenschaftler, Anthropologen und Neuroinformatiker diskutieren rund um die Welt mit Leidenschaft über diese Frage.
Falk erarbeitet in diesem Buch eine völlig neue Theorie zum Sprachursprung. Nach ihrer Meinung, stand am Anfang der Sprache der beruhigende und tröstende Singsang der Mütter für ihre Kinder. Im Vergleich zu den Menschenaffen können sich die Säuglinge der Menschen aufgrund anatomischer Gegebenheiten nicht an ihrer Mutter festklammern und müssen somit beim „Arbeiten“ (z.B. Felle von Tiere abziehen, Feuer machen) abgelegt werden und damit die Säuglinge nicht schreien, fingen die Mütter an zu sprechen – und zu singen!
Laut Falk entwickelte sich dieser tröstender Singsang aus Gesten und aus der Ammensprache; beide Komponenten sind auch heute noch Teil der Sprache und für Säuglinge unverzichtlich, denn Gesten setzen Menschen in Beziehung, verbinden also Mutter und Kind und die Ammensprache legt im Gehirn den entscheidenen Grundstein für das Erlernen der Sprache.
Ihre Theorie vom Sprachursprung unterstützt Falk mit empirischen Daten und Untersuchungen, die von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoben und gemacht wurden. Mit den Argumenten für diese Theorie und den Argumenten gegen die anderen Sprachursprungstheorien sehr schlüssig und sollte meiner Meinung nach ernst genommen werden – vielleicht ist es die richtige Antwort auf die Frage!
Das Buch ist sowohl kulturanthropologisch, als auch paläoanthropologisch, linguistisch und neurowissenschaftlich orientiert. So ist dieses Buch sehr interdisziplinär angelegt und mit vielen wissenschaftlichen Fakten und Argumenten gespickt. Trotzdem ist dieses Buch keinesfalls langweilig, sondern hochinteressant und erfreut die Leser.
Des Weiteren schildert Falk die ganzen dargestellten wissenschaftlichen Fakten sehr anschaulich und bildlich, nicht öde. Thesen, die sie selbst für schwer verständlich hält, erklärt sie mehrfach, allerdings immer in unterschiedlichem Wortlaut und vor allem mit praktischem Anwendungsbereich.
Insgesamt wirkt das Buch auch nicht überladen, was ich erst befürchtete. Denn geht es in diesem Buch ja nicht nur um Sprache, sondern auch Musik und um die bildenen Künste, darüber hinaus geht es auch um die biologische Evolution im Allgemeinen, aber auch um die Evolution kognitiver Fähigkeiten im Spezielle.
Falk entpuppt sich nicht nur als besondere Wissenschaftlerin mit außergewöhnlichen Ideen, sondern auch als fähige Wissenschaftsautorin mit der Fähigkeit, ihre Leser bis in die letzte Nervenzelle des Gehirns zu begeistert. Großartig – so müssen wissenschaftliche Publikationen sein!
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